Die Bestimmung der richtigen Zielgruppe ist nicht einfach. Haupthindernis ist oft eine fehlende emotionale Beziehung zu ihren Mitgliedern.
Vor allem kleinere Unternehmen tun sich oft schwer, eine Strategie zu entwickeln. Ihnen fehlt das Wissen darüber, wie sie grundsätzlich dabei vorgehen sollen. Ein Ansatz dafür bietet die sogenannte engpasskonzentrierte Strategie (EKS). Sie arbeitet mit vier Prinzipien:
· Spitz statt breit
· Konzentration auf den Engpass
· Immaterielles vor Materiellem
· Nutzen vor Gewinn
Zudem beinhaltet sie sieben methodische Schritte:
· Stärken
· Spezialgebiet
· Zielgruppe
· Brennendstes Problem
· Innovation
· Kooperation
· Permanentes Grundbedürfnis
Zielgruppen sind oft viel zu groß
Entscheidend in Bezug auf die Zielgruppe ist Folgendes: Sie sollte möglichst klein sein. Idealerweise so, dass der Gesamtmarkt etwa 10 bis 20 Mal so groß ist wie die aktuelle Kapazität des Unternehmens. Damit können Unternehmen relativ schnell Marktführer in ihrem kleinen Markt werden. Und für Marktführer gelten andere, bessere Regeln. In der Praxis jedoch sind die meisten Zielgruppen viel zu groß. Die Folge: Die Bedürfnisse der Zielgruppe sind viel zu inhomogen, so dass diese nicht richtig adressiert werden können und das Unternehmen zudem nach innen zu komplex wird.
Was traditionell unter einer Zielgruppe verstanden wird, also zum Beispiel Frauen ab 50 oder Arztpraxen, ist in Wirklichkeit gar keine Zielgruppe. Hierbei handelt es sich lediglich um Indizien dafür. Gemäß EKS ist eine Zielgruppe eine Gruppe von Menschen oder Organisationen mit gleichen Problemen, Bedürfnissen oder Wünschen. Die Trennung in demografische und psychografischen Zielgruppen macht das deutlich. Frauen ab 50 ist eine demographische Zielgruppe. Maßgeblich ist jedoch die psychografische, also diejenige, die durch ihre Psychologie und nicht durch ihre äußeren Merkmale bestimmt wird.
Teilzielgruppen müssen unterschiedlich adressiert werden
Zielgruppen werden oft nicht mit den richtigen Begriffen beschrieben. Bei „Frauen ab 50“ etwa handelt es sich um ein einfach adressierbares Kriterium. Geht man aber in die Tiefe – zum Beispiel als Anbieter eines Wellness-Produkts – stellt man fest, dass die Motive dahinter völlig unterschiedlich sein können: Gesundheit, Schönheit, Genuss oder auch soziale Zugehörigkeit. Damit ergeben sich völlig unterschiedliche Teilzielgruppen, die sich durch die Bedürfnisse bestimmen und unterschiedlich adressiert werden müssen. Unternehmen müssen sich also auf eine dieser Teilzielgruppen festlegen.
Wer nun weiß, wie seine Zielgruppen beschaffen sein müssen, dem stellt sich in der Folge ein konzeptionelles Problem. Hintergrund: Die EKS geht von einer Schrittfolge aus. Nach der Bestimmung der Zielgruppe geht es darum, ihr brennendstes Problem zu bestimmen. Wer aber die Zielgruppe bestimmt hat, kennt diese Probleme ja noch gar nicht, denn die Identifikation dieser brennendsten Probleme, Bedürfnisse und Wünsche passiert erst in der darauf folgenden Phase. Und zuvor braucht es eine kleine Zielgruppe, mithin muss diese Phase erst abgeschlossen werden. Hier sind Unternehmen in einem Zirkelschluss gefangen.
In der Praxis führt dies fast immer dazu, dass die Bestimmung der Zielgruppe und des brennendsten Problems nicht in zwei nacheinander folgenden Schritten geschieht, sondern dass mehrfach hin und her gewechselt wird. Zuerst wird grob eine Zielgruppe und ihr brennendstes Problem bestimmt, diese dann reduziert auf diejenigen mit diesem Problem und danach nochmals die Zielgruppe analysiert und verkleinert. Drei bis sechs solcher Iterationsschritte sind in der Praxis durchaus an der Tagesordnung.
Entscheidend ist die Nähe zur Zielgruppe
Die Zielgruppe eines Hotels könnte zum Beispiel von allen Gästen auf Wellness-Reisende eingegrenzt werden. Dann auf solche, die bei Wellness vor allem Wert auf Schönheit legen. Um Schönheit wiederum geht es vor allem denen, die in irgendeiner Art in der Öffentlichkeit stehen. Also könnte die Zielgruppe weiter auf „Celebrities“ eingegrenzt werden. Mit jeder Eingrenzung der Zielgruppe sind völlig neue Aspekte in der Problem- und Bedürfnisstruktur verbunden. Dementsprechend wären alle diese Hotels unterschiedlich aufgebaut und hätten unterschiedliche Angebote. Da diese Schritte jeweils immer mit einem vertieften Kennenlernen der letzten Teilzielgruppe und auch gewissen Änderungsschmerzen verbunden sind, lassen sich diese Iterationen nicht in einem relativ kurzen Zeitraum vornehmen. Oft zieht sich dies über Monate, manchmal auch Jahre, hin.
Der Schlüsselfaktor für die Entwicklung einer Strategie ist die Nähe zur Zielgruppe und eine positive emotionale Bindung zu den Menschen dahinter. Wem die Menschen, für die Produkte oder Leistungen erbracht werden, egal sind, wird niemals dauerhaft eine gute Strategie verfolgen können. Mit anderen Worten: Der Schlüsselfaktor für die Auswahl der Zielgruppe ist die Intensität der Beziehung zu den Mitgliedern der Zielgruppe.
Zielgruppen nach emotionalen Motiven bilden
Neben der eigenen Psychologie spielt aber auch die Psychologie der Kunden und die Vorstellung, man müsse ihnen einen möglichst hohen Nutzen bieten, eine wichtige Rolle. Die Idee dahinter: Kunden sind rational entscheidende Wesen, denn Nutzen ist eine rationale Kategorie. Nach den Erkenntnissen der Neurowissenschaften der letzten 20 Jahre aber verhält sich der Mensch nicht vorrangig rational. Vielmehr entscheidet er emotional, unbewusst und oft entgegen seinem Nutzen. Daher fahren Unternehmen mit der Zielgruppenbildung entlang emotionaler Motive oder gar der Identität und dem Selbstbild der Menschen oder Organisationen wesentlich besser.
Es stellt sich also die Frage, wie sich Menschen nach diesen Motiven erfassen lassen. Zu empfehlen ist hier zum einen das „Zürcher Modell der sozialen Motive“ des Psychologen Hans-Georg Häusel, zum anderen das Modell des NLP-Trainers Anthony Robbins. Das Modell von Häusel geht von drei Grundmotiven aus: Balance, Stimulanz und Dominanz. Alle menschlichen Emotionen und Motive sind Mischformen dieser Grundmotive. Beispiele: Das Abenteuerbedürfnis ist eine Mischform aus Stimulanz und Dominanz. Wellness hat vorrangig mit Balance zu tun, angereichert mit einem Schuss Stimulanz. Bei Poesie wiederum geht es um Stimulanz und einen Schuss Balance.
Doch auch dieses Modell hat Grenzen: Die Bedürfnisse nach persönlichem Wachstum oder Sinn – das, was bestimmte Menschen als eher spirituelle Bedürfnisse bezeichnen – lassen sich darin nicht schlüssig erfassen. Hier hilft das Modell von Robbins, der von folgenden grundsätzlichen Bedürfnissen ausgeht: Dem Wunsch nach Sicherheit und dem gegenteiligen Wunsch nach Unsicherheit, dem Wunsch nach Bedeutsamkeit und dem gegenteiligen Wunsch nach Zugehörigkeit beziehungsweise Liebe. Auch hier lassen sich menschliche Emotionen einordnen.
Die Glaubenssätze der Zielgruppe kennen
Im Endeffekt fehlt aber noch eine entscheidende Information: die Glaubenssätze der Zielgruppe. Jeder Mensch hat bestimmte Vorstellungen im Kopf, zum Beispiel bezogen auf das Thema Sicherheit. Manche erfüllen dieses Bedürfnis über Geld, das heißt mit dem Glaubenssatz: Je vermögender ich bin, desto eher kann ich auf Krisensituationen reagieren und bin für die Zukunft abgesichert. Andere erfüllen dies über einen möglichst großen Freundeskreis. Der Glaubenssatz: Wenn es mir schlecht geht, wird mir immer jemand helfen. Wieder andere erfüllen dies über möglichst hohe Kompetenzen in bestimmten Krisensituationen. Der Glaubenssatz: Je höher meine Fähigkeiten, desto weniger kann ich durch Unvorhergesehenes überrascht werden.
Wer es schafft, seine Produkte und Produktpräsentation so zu gestalten, dass sie nicht nur kompatibel zu den Grundbedürfnissen, sondern auch zu den Glaubenssätzen der Zielgruppe sind, bekommt tatsächlich Zugang zu ihr.
(www.business-wissen.de)